Drachen, Vampire, und dann noch ein Wolf

Zwei Wochen länger als geplant sollte es dauern, bis die Helden im Gasthaus zur Roten Wildsau wieder aufeinandertrafen – zwei Wochen deswegen, weil Spielleiter und Spieler angesichts der umgehenden Atemwegerkrankungen nicht Nein sagen konnten und alle erst einmal gesund werden mussten, bevor die wöchtentliche Runde wieder stattfinden konnte. Auch jetzt wurde der Spielfluss noch durch gelegentliche Huster gestört – etwas, wovon die Charktere jedoch nichts ahnten, bis auf Kerym’tal, der mit heiserer Stimme plötzlich noch mal so grimmig klang wie sonst.

Für Grimmigkeit gab es erst einmal keinen Grund. Kerym’tal und Meraid hatten den entwendeten Wagen bei Wagner Adbehrt abgestellt, mit dem Hinweis, dass der gegenwärtig unpässliche Rufus später für die Unterbringung aufkommen würde – ach ja, und ein Fluch auf dem Wagen läge, für den ein Magier gebraucht würde, um ihn wieder quittzuwerden, und wenn Adbehrt da jemanden kennt, wäre man ihm sehr verbunden … Der Wagner war wenig begeistert, Platz für ein verfluchtes Gefährt finden zu müssen, bot aber einen entlegenen Abstellort für zwei Tage an und versprach, sich nach einem Magier umzusehen. Und nahm gleich ein Goldstück entgegen, damit dieser Magier auch gleich einen Analysezauber sprechen konnte.

Adbehrt versprach, eine Nachricht zur Roten Wildsau zu schicken, und die beiden Halbelfen machten sich, zufrieden mit ihrem Erfolg, selbst auf den Weg zu ihrem Gasthaus. Natürlich ganz dezent: »Ich trage meine Kapuze, um nicht so aufzufallen«, sagte Kerym’tal und setzte schnell hinzu: »Aber ich trage sie nicht so auffällig!« Was in diesem Fall bedeutete, dass er die beim Betreten des Gasthauses tatsächlich wieder abnahm, weil silbernes Haar tatsächlich weniger Augen auf sich zieht als ein Typ, der im Haus die Mütze nicht absetzen mag. Evy und Urorn warteten bereits auf die beiden – und der Zwerg am Nebentisch lange Ohren machte.

Das machte die Besprechung, wie es mit dem gestohlenen Wagen weitergehen sollte und was man unternehmen konnte, um jetzt auch noch den armen Rufus zu befreien, etwas schwerer. Irgendwie musste man den unerwünschten Mithörer loswerden! Kerym’tal bot an, mal eben rüberzugehen und den Zwerg anzumachen, was soweit auf Zustimmung stieß – und Meraid dazu veranlasste, den Zwerg gleich an ihren tisch einzuladen. Der kam auch promt, etwas erstaunt rüber, stellte sich als Thorn Gomran vor – während Kerym’tal auf Elfisch Meraid anraunzte, dass er dem Zwerg doch hatte sagen wollen, er sollte sich vom Acker machen. Überraschung: Dieser Zwerg spricht Elfisch!

Während sich Evy wie in einer Sitcom fühlte, stellte Kerym’tal perplex fest, dass er noch nie einen Zwerg getroffen hätte, der Elfisch verstünde. »Tja, nun habt Ihr das«, stellte Thorn trocken fest – und verabschiedete sich dann ebenso schnell wie höflich wieder, schließlich hatte man ihm doch gerade zu verstehen gegeben, dass er in dieser Runde nicht wirklich erwünscht war. Da ging sie hin, die Gruppenzusammenführung! Aber nicht nur Thorn legte sich, müde von der langen Reise, schlafen, auch wenn es noch früh am Tag war: Auch die Wagendiebe, die immerhin die Nacht durchgemacht hatten, sahen zu, dass sie eine Übernachtungsgelegenheit bekamen, bis auf Kerym’tal, der wach bleiben wollte, falls Adbehrt seinen Boten vorbeischicken sollte.

Und das stellte sich als eine gute Entscheidung heraus, denn tatsächlich traf nur vier Stunden später ein kleiner Junge mit einer Nachricht für Meraid ein, und nach einiger Überzeugungsarbeit und Zahlung von zwei Kupferstücken war er bereit, diese auch dem anderen Halbelf zu übermitteln: Adbehrt hatte einen Magier gefunden, und jetzt sollten sie bei ihm vorbeischauen, so schnell es irgendwie ging. Meraid wurde geweckt, und Kerym’tal begleitete sie zu dem Wagner, um hoffentlich einen Erfolgsbericht in Empfang zu nehmen. Doch was Adbehrt zu sagen hatte, war dann wenig erfreulich:

Der Magier hatte den Zauber, der auf dem Wagen lag, analysiert, als Fluch identifiziert, und nun weigerte er sich, den zu bannen: Der Fluch war so gewirkt, dass er bei Aufhebung durch einen Dritten dessen Identität an den ursprünglichen Wirker übermitteln würde – etwas, das dieser Magier nicht auf sich nehmen wollte. Aber weil er Rufus noch einen Gefallen schuldete, hatte er eine Schriftrolle vorbereitet, mit der sich der Fluch bannen lassen sollte. Alles, was dafür gebraucht wurde, war ein anderer Magier. Ein dummer Magier, wie Kerym’tal und Meraid anmerkten – einer, der keine Fragen stellte und einfach gehorchte. Die Suche ging weiter. Und sie musste schnell gehen: Einen Tag lang wollte Adbehrt das verfluchte und offenbar mit einem Peilsender ausgestattete Gefährt noch aufbewahren – dann sollte es im Fluss enden.

Aber weil es noch zu früh war, um im Gasthaus herumzufragen, ob da jemand vielleicht jemanden kannte, legte sich nun Kerym’tal für zwei Stündchen aufs Ohr – um danach, zusammen mit den dann ebenfalls wieder wachen Urorn und Evy, auf die Suche nach einem geeigneten, sprich dummen, Magier zu gehen. Und wirklich, in der Roten Wildsau hatte man von einem Magier gehört, der gerade vor Ort weilte: und bei dem handlete es sich um niemand anderen als den mehrsprachigen Zwerg, der mit seinen unauffälligen Reisekleidern keiner der Gefährten als Zauberer auf dem Schirm gehabt hatte.

Magier gefunden – aber wie sollte man ihn jetzt dazu bringen, die Schriftrolle zu benutzen, ohne Fragen zu stellen, selbst den Zauber zu analysieren, und am Ende wieder die Arbeit zu verweigern? Bardin Evy hatte eine Idee: Den Zwerg bezaubern! Eine derart bezauberte Person würde bereit sein, eine ganze Menge für die neugewonnene Freundin tun – bestimmt auch eine Schriftrolle benutzen. Aber so ein Zauber konnte auch schiefgehen und die dann doch nicht bezauberte Person allein durch den Versuch wütend machen, weswegen dieser Plan dann doch dahingehend geändert wurde, dass Evy beschloss, einfach so ihren natürlichen Charme spielen zu lassen – ganz ohne Magie, aber mit unwiderstehlichem Niedlichkeitsfaktor.

Sprachs, stand auf – und setzte sich statt zu dem Zwerg an den Tisch der deutlich angetrunkenen Halblingin Erika, die gleich anfing, die Gnomin anzugraben und ihr zu versichern, dass auch kleine Leute hervorragende Beschützer abgeben könnten … Evy nahm Reißaus und setzte sich nun doch zu Thorn, um ihn um Hilfe zu bitten.  Worauf Thorn gleich die ganze Runde dazu bat: Er wollte wissen, was da gespielt wurde. Und nachdem ihm diese Gruppe am Vormittag so seltsam gekommen war … Aber da Kerym’tal versprochen hatte, an sich zu halten und die Sache nicht zu verbauen, setzen sich nun also alle zum Magier an den Tisch. Endlich, die ganze Runde vereint! Der Magier willens, die Schriftrolle zu wirken! Und viele Fragen stellte er auch nicht …

… und musste das auch gar nicht, denn die wie immer mitteilungsfreudige Meraid erzählte ihm auch so alles, was er wissen musste: Dass der Wagen verflucht ist, dass ein Ortungszauber drauf liegt, Etcetera und Pipapo – und Kerym’tal musste wirklich an sich halten, nicht rüde dazwischen zu gehen, aber er hatte ja versprochen, den mund zu halten, und tat das auch so nachdrücklich, dass er sich Thorn immer noch nicht einmal vorstellte. Und der war, trotz jetzt eindeutiger Hinweise, dass da was im Busch war, trotzdem immer noch hilfsbereit, gegen einen Obulus von 150 Goldstücken, den Zauber zu brechen – vielleicht auch wegen eines Missverständnisses, das die Sache noch mal so spannend erscheinen ließ: »Wie, Rufus wurde von einem DRACHEN mitgenommen?« Dabei hatte Meraid nur von Wachen gesprochen …

Eigentlich wollten die Gefährten jetzt auch sofort aufbrechen – da tauchte Aerelm, der Cayden Cailean-Kleriker vom Vormittag, an ihrem Tisch auf. Er hatte die Zwischenzeit in inniger Zwiesprach mit seinem Gott verbracht und war dementsprechend mehr als nur leicht angetrunken, und die Aussicht auf ein Abenteuer lockte ihn – vor allem, da Urorn etwas zu vorschnell meinte, dass es in Ordnung wäre, wenn er mitkäme. Aber wirklich, niemand hatte gerade Lust, einen volltrunkenen Kleriker mitzuschleppen. Evy opferte sich, oder zumindest ihre Anwesenheit beim Abenteuer, heldenhaft: Sie sprang auf die Bühne, um Aerelm – und die restlichen Gäste der Roten Wildsau – mit ein paar zünftigen Trinkliedern zu unterhalten und abzulenken, während sich die anderen davonstahlen.

Nun hatten sie also den Magier, die Schriftrolle – fehlte nur der Wagen. Und wo genau Adbehrt den abgestellt hatte, wusste nur der selbst. Bloß war es inzwischen später Abend, und der Wagner hatte sich bereits schlafengelegt. Rabiat schlug Kerym’tal erst vor, so lange »Scheiben gegen die Steine« zu werfen, bis der Mann aufwachte, und entschied sich dann dazu, Sturm zu klingeln, womit er dann einen ausgesprochen übellaunigen Knecht aus dem Bett holte. Wirklich, Kerym’tal war ein kleiner Sonnenschein an diesem Tag, und Thorn kam zu dem Ergebnis, dass das vorangegangene Verhalten des Halbelfen nicht persönlich zu nehmen war, sondern jeden treffen konnte, und er fragte, nicht einmal unfreundlich, ob der für seine Art noch nie eins auf die Nase bekommen hätte. Kerym’tal zog es vor, nicht zu antworten, aber an diesem Tag machte er sich wohl nicht so viele neue Freunde.

Immerhin, der Knecht konnte sie zum Wagen führen und tat das auch; die Aussicht, den verfluchten Wagen loszuwerden, versprach Frieden für den folgenden Tag. Nun schlug Thorns große Stunde: Zwar war die Schriftrolle von einem höheren Level, als der Jungmagier sprechen konnte, aber die Chance, dass er das Ganze in den Teich setzen würde, war nur gering. Und schon im zweiten Anlauf gelang es ihm, die »Fluch brechen«-Rolle zu wirken. Grünes Licht hüllte den nächtlichen Wagen ein, keine Untoten erhoben sich aus dem Boden, alles schien bestens – dann verlangte der Spielleiter einen Willenskraftwurf. Und Kerym’tal, Meraid und Urorn würfelten, in aufsteigener Reihenfolge, eine 1, 2 und 3.

Nur Thorn, der eine 16 würfelte, fühlte sich beobachtet – und konnte dann seinen Begleitern mitteilen, dass der Fluchwirker jetzt nicht nur wusste, wer und wo Thorn selbst war, sondern auch die anderen und der Wagen. Und da sie nun, unfreiwillig, im gleichen Boot saßen, beschloss Thorn, sich den anderen jetzt erst einmal auf Gedeih oder Verderb, aber hoffentlich Gedeih, anzuschließen. Aber erst einmal machten sie sich jetzt mit dem Wagen aus dem Staub. »Falls du noch irgendwelche Vampire hast, kannst du die hinten in den Wagen räumen«, verstand Thorn, auch wenn Meraid einfach nur Papiere gemeint hatte – aber Verhörer und Versprecher sind es ja schließlich, die eine Rollenspielrunde bemerkenswert machten, und so gesellten sich zu dem Drachen von vorhin jetzt auch noch ein paar Vampire.

In der Roten Wildsau wurde nun auch noch die tapfere Evy eingesammelt, und gemeinsam eine neue, abgelegene Unterkunft bezogen an einem Ort, wo nicht viele Fragen gestellt wurden und man sie hoffentlich so schnell nicht finden würde, nachdem der Plan, die Stadt Castow auf dem schnellsten Weg wieder zu verlassen, wieder verworfen wurde – die Torwachen würden sich zu gut an sie erinnern. Dann lieber eine Absteige. Und nach einer Nacht, in der jetzt endlich auch der übernächtigte Kerym’tal mehr als zwei Stunden Schlaf bekam, machte sich die jetzt endlich eine Gruppe beim Frühstück miteinander bekannt. Und weil Thorn Elfisch sprach, verstand er auch, dass Kerym’tals »Name« in Wirklichkeit nur die elfischen Wörter für »Flinke Klinge« waren. Aber wenn er sich doch seinen Teil dazu gedacht haben musste, sagte er nichts dazu.

Und was nun tun? Flucht war naheliegend, aber noch gab es einen Rufus zu retten. Zwar gab es keinerlei Anhaltspunkte, wo der gefangengehalten wurde – aber da fiel Urorn ein, dass sie ja Derek und den anderen Wagenwachen die Geldbeutel gestohlen hatten und noch keinen Blick hineingeworfen. Was für ein nützlicher Einfall! In den Beuteln kam nicht nur eine anständige Menge Geldes zusammen, sondern auch ein paar wirklich brauchbare Indizien – eine Spesenabrechung, ein Zettel, der auf den Weißen Hirsch im Wildnisviertel verwies, ein Holzemblem, auf dem der Zauber »Arkane Mark« lag, und ein Aufnäher mit einem Wappen, das Evy als das der Adelsfamilie von Untertann identifizierte. So viele Anhaltspunkte … für das nächste Mal.

Weil nämlich Thorn als akademischer Zauberwirker nur die Sprüche sprechen kann, die er auch für den Tag vorbereitet hat, musste er, was die Identifikation des Arkanen Mals anging, zum ersten von bestimmt vielen Malen das magische Wort »Morgen« aussprechen, und das potenziell komprimitierende Stück wurde im bleiverkleideten Schmugglerkompartment des Wagens eingelagert. Und überhaupt war das ein guter Zeitpunkt, aufzuhören. Nächste Woche sehen wir weiter: Wem gehört das arkane Mal? Was hat die Familie von Untertann mit Rufus‘ Verschwinden zu tun? Und wer hat anstelle von Rufus das Wort Lupus missverstanden und dem Drachen und den Vampiren noch einen Wolf hinzugefügt? Frage über Fragen – die Fortsetzung folgt.

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