Durch das Loch in der Tür blickten die Abenteurer auf den schlafenden Oger. Und auf seine zweihändige Keule, die ebenso gut als Baum durchgehen konnte. Niemand wollte dieses Montrum auf dem eigenen Hirnkasten wissen, und auch nicht auf denen der Gefährten. Aber es führte kein Weg um den Oger herum, alle anderen Wege durch den Dungeon waren entweder eingestürzt oder anderweitig unpassierbar, und der übelriechende Haufen von Überresten intelligenter und weniger intelligener Kreaturen, der hinter dem Oger aufragte, ließ zumindest wenig Zweifel daran, dass dieses Monstrum den Tod durchaus verdient hatte.
Am liebsten hätten die vier sich angeschlichen und dem Oger den Garaus gemacht, solange er noch schlief, aber da war die Tür im Weg. Die versprach, ganz gewaltig zu quietschen. Aber dem konnte abgeholfen werden! Isdarion reichte Cyne das Fläschchen mit dem Öl aus seinem Waffenpflegeset, damit der fingerfertige Archäologe die Tür schmieren konnte – soweit, so gut, nur stellte sich die Tür außerdem als verschlossen heraus, und Cynes Versuche, sie zu knacken, schlugen fehl. Aber Einschlagen kam diesmal nicht in Frage – der Oger sollte nicht aufwachen. So entschieden sich die Helden, Cyne die Zeit zu geben, es in aller Gründlichkeit zu versuchen und eine Stunde lang in dem Schloss herumzustochern, bis es irgendwann aufgehen sollte. In der Zwischenzeit schmierten die anderen die Tür.
Endlich ging die Tür auf – und das leise. Cyne, gefolgt von Isdarion und Irindil, schlich sich hinein – der eine, um dem Schläfer hinterhältigen Schaden zuzufügen, die anderen, um die Keule aus dem Weg zu räumen, damit der Oger im Kampffall ohne Waffe dastand. Ein löblicher Plan – hätte Cyne nicht auf dem Weg durch den Raum die nächste Falle ausgelöst. Ein Fallbeil ging über ihm nieder, verpasste ihm eine nicht zu verachtende Scharte, und machte dabei nicht zu verachtenen Krach. Der Oger rührte sich und brüllte: »Initiative!«
Auch wenn dies der erste Kampf der frisch zusammengeführten Gruppe war, arbeitenten sie zusammen wie ein gutgeschmierter Mechanismus. Während die beiden Elfen die Keule von dannen trugen, nahmen die Menschen den Oger in die Zange, so dass Cyne seinen hinterhältigen Angriff ausführen und auch Garald ihn anständig vermachen konnte. Der Oger, gezwungen, ohne Keule auf seinen Jagdspeer auszuweichen, schlug daneben, und als auch Irindil und Isdarion aktiv ins Kampfgeschehen eingegriffen, dauerte es nicht mehr lange, bis Garald den Oger erlegt hatte, ohne dass der auch nur einem der Gefährten einen Kratzer zufügen konnte.
Mit angehaltenem Atem durchsuchten die Gefährten den Raum – auch hier Teamwork: Die Elfen mit ihren empfindlichen Nasen übernahmen das Luftanhalten, die Menschen das durchsuchen. Cyne fledderte den toten Oger und fand zwei Schlüssel, passend zu Ein- und Ausgang des Raumes, sodass die dicke Steintür, die aus dem Raum hinausführte, aufschwang, ohne dass nochmal ein stundelanges Schlossgestochere notwendig gewesen wäre. Derweil nahm sich Garald den stinkenden Haufen vor, in dem er mit seiner Waffe herumstocherte und ein bisschen Geld fand. Immerhin.
Um nicht gänzlich nutzlos dabeizustehen, sprach Irindil ein »Magie Entdecken« und dirigierte Garald dann zu den magischen Objekten des Schatzes – immerhin ein Zauberstecken und ein Schriftrollenbehälter mit Inhalt. Es gelang ihr auch, beides zu identifizieren, und neben einer Rolle des Metall Erhitzens stellte sich vor allem der Stecken als unentbehrlich heraus – fünfzig Anwendungen »Leichte Wunden Heilen« war genau das, was sie in dieser mit Fallen gespickten Höhle brauchen konnten, zum Beispiel um den angeritzten Cyne ein bisschen zu heilen.
Dann folgten sie dem Gang, der nach links um eine Ecke führte und in dem sich, nach anfänglicher Frischluft, ein immer üblerer Gestank ausbreitete. Bald sah man auch, woher der Gestank kam: Links und rechts hingen, an die Wände gekettet, tote Kobolde in unterschiedlichen Stadien der Verwesung, von beinahe frisch bis zu skelettiert. Bisspuren an den Überresten verrieten, dass es sich um die Snackbar des Ogers handelte. Naserümpfend gingen die Gefährten weiter, und Irindil war froh, einen frischen Lufthauch zu bemerken.
Der Gang gabelte sich, und die klugen Gefährten beschlossen, dieses Labyrinth von einem Höhlensystem nach der Regel der linken Hand zu erschließen, bevor sie sich trotz der von Cyne laufend gepflegten Karte auf Nimmerwiedersehen verlaufen konnten. Zur linken hörte man es plätschern – dort befand sich die Statue eines Elfen mit einem Füllhorn, aus dem frisches Wasser sprudelte. Dahinter musste sich irgendwann einmal die Latrine befunden haben, diese war aber eingestürzt, kein Durchkommen, sodass die Gefährten umkehrten und dem Gang in die andere Richtung folgten, dorthin, wo der Luftzug herkam.
Dieser kam aus einem Durchbruch (ogerförmig), wo irgendwann einmal eine Geheimtür in der Wand gesesen haben mochte. Dahinter lag eine Höhle, komplett mit Tropfsteinen – die konnte zu einem weiteren Ausgang aus dem Dungeon führen, aber vielleicht auch zum Zuhause des anderen Koboldclans. Also nachgeschaut – und wirklich, es führte ins Freie, kein Kobold in Sicht. So ging es zurück in den Dungeon, immer brav mit der linken Hand an der Wand, Ohren gespitzt. An der nächsten Weggabelung konnte man ein Geräusch ausmachen – es klang ziemlich genau wie Grillenzirpen. Nur, dass Grillen für vieles bekannt waren, aber nicht dafür, in unterirdischen Höhlensystemen zu leben …
Neugierig folgten die Helden dem Geräusch, das postwendend lauter wurde und nur immer mehr wie ein Grillenschwarm klang. Es kam aus einer Ecke – aber da war nichts zu sehen. Keine Grille, nirgends. Auch ein »Magie Entdecken« von Irindil brachte keine Grillen zum Vorschein – wohl aber einen magisch leuchtenden Stein, oben unter der Decke. Der ebenso großgewachsene wie starke Garald hob Cyne hoch, damit der das aus der Nähe untersuchen konnte: Da war ein Stein, und er zirpte. Es könnte einmal eine magische Falle gewesen sein, vielleicht auch das Soundkonzept des alten Tempels, mit dem die Elfen versucht hatten, den steinernen Komplex etwas heimeliger zu gestalten. So blieb jetzt nichts übrig als ein Rätsel und ein zirpender Stein, und mit einem Schulterzucken gingen die Gefährten weiter.
Nach einiger Zeit sah Cyne, der voranging, den Lichtschein eines Feuers, und er gab den anderen das Zeichen zum Stehenbleiben. Auch ein Knacken war zu hören – weniger wie Holz in einem Lagerfeuer, sondern mehr, als wenn Irindils Wolf auf einem Knochen herumkaute. Vorsichtig schlichen die Gefährten sich näher – bis Garald stolperte, dabei Lärm machte, und der Oger, denn genau das war es, die Gruppe bemerkte. Wieder wurde »Initiative!« gebrüllt. Noch so einer!
Cyne, der zuerst handeln durfte, bewegte sich vorsichtig in den Rücken des Ogers, um ihn anschließend mit den anderen in die Zange nehmen zu können, aber noch bevor auch nur einer von denen dran war, kam der Oger zum Zuge. Und dem hatte niemand seinen Knüppel, einen Zwilling dessen, was neben Oger No. 1 gelegen hatte, wegnehmen können. Der Halbbaum ging über Cyne nieder und verpasste ihm signifikanten Schaden, sodass er nur noch gerade so eben auf seinen Beinen stand. Zum Ausgleich tänzelte Isdarion geschickt an der großen Reichweite des Ogers vorbei, entging somit einem Gelegenheitsangriff, und schwang sein Schwert einmal quer durch den Oger. Aber natürlich stand der noch auf seinen Beinen.
Und er stand so immer noch, auch als Garald versuchte, ihn mit einem Stangenwaffenmanöver zu Fall zu bringen – der Menschenkrieger patzte leider, auch das kann passieren. Auch Irindil und ihr Wolf griffen in den Kampf ein, so dass der Oger jetzt von allen Seiten umstellt war. Cyne nahm einen dringend benötigten Heiltrang und versenkte seine Klinge in der Milz des Ogers, der ihn anschließend zu Cynes Glück verfehlte. Anschließend landete Isdarion einen kritischen Treffer, und bei seinem Schwert hieß das: Wirklich kritisch. Entzweigeteilt sank der Oger zu Boden, mausetot.
Der Raum stellte sich als ein weiterer Schreinraum heraus, aber auch dieser war offenbar nicht dem Corellon Larethian geweiht, nach dessen Statue die Gefährten schließlich suchten – die Statue in der Mitte des Raumes stellte eine außergewöhnlich üppige nackte Elfe dar, und deren heiliges Symbol, ein Kreis mit einem Loch in der Mitte, war auch nicht das, was gesucht wurde. Da auch den anwesenden Elfen diese Gottheit nichts sagte, zog Isdarion den Stein mit Curanduil zu Rate, beschrieb den Schrein und erfuhr, dass es sich wohl um die Fruchtbarkeitsgöttin Tilanda handeln sollte – noch eine in Vergessenheit geratene Gottheit.
Derweil durchsuchten die anderen, wegen des auch hier präsenten Gestanks, den Raum und brachten weiteres Gold und magische Schätze zum Vorschein: Ein leider unidentifiziertes Amulett in Form eines mumifizierten Elfenhand, das sowohl Irindil als auch Isdarion für geschmacklos hielten, sowie einen Ring des Schwimmens, den man bestimmt irgendwann mal brauchen konnte.
Da sich der Ausgang des Raumes als Sackgasse entpuppte – dort war irgendwann einmal eine Treppe auf eine untere Ebene gegangen, aber die war eingestürzt, was vielleicht ganz gut war, denn auch die obere Ebene dieser Anlage war schon umfangreich genug. So ging es zurück, weiter der Regel der linken Hand folgend, und die Gefährten landeten im nächsten Raum …
»Nicht noch ein Oger!«, sagte Cyne, und das hätte er vielleicht besser nicht gesagt, denn genau das kam ihnen dort entgegen.
Isdarion, der die Initiative gewonnen hatte, marschierte hinein und tachelte dem Oger eins. Garald versuchte erneut, den Oger zu Boden zu zwingen, und scheiterte wieder. Auch Cyne, der die Initiative verloren hatte, verfehlte mit seinem hinterhältigen Angriff. Iridil und Isdarion hatten die Gelegenheit, den Oger nochmal zu hauen, bevor dem ein Treffer auf Isdarion gelang – zum Glück konnte er seinen Treffer nicht verifizieren, so dass der Elf nur gut die Hälfte seiner Lebensenergie einbüßen musste – der Oger hatte wirklich einen Schlag drauf, und keule macht Beule. Im Gegenzug schlug Isdarion ihn erst tot und ihm dann zur Sicherheit auch noch den Kopf ab.
Als sich die Gefährten an das Durchsuchen des übelriechenden Schatzhaufens machten, durchzog mit unerwünschter Immersion ein Dufthauch des Todes auch off-time den Raum: Der Hund hatte gepupst, und wie! Zum Trost fanden die Helden einen anständig wertvollen Bergkristall und einen Obsidian, eine Schriftrolle des Elementenwiderstands, und einen Stecken des Schmierens – nicht gegen quietschende Türen einzusetzen, aber um den Boden oder feindliche Waffen schlüpfrig zu machen. Die Schätze wurden eingesackt. Und dann, bevor sie noch in einen vierten Oger hineinlaufen konnten, beschlossen die Helden, die Abenteuer der Woche hier ausklingen zu lassen. Nächste Woche, hoffentlich, geht es weiter.