Ein Elf aus dem Nichts und ein sprechender Stein

Vor gar nicht so langer Zeit waren die drei Zwergenclans Steinhauer, Feuerschmied und Bierfreund aus ihrem angestammten Gebiet nach Norden aufgebrochen und hatten eine neue Minenstadt errichtet. Tumunzir war teils ober-, teils unterirdisch gelegen, wobei die unterirdischen Teile nur von Zwergen betreten werden durften. Im oberirischen Teil hingegen waren auch Angehörige anderer Völker durchaus willkommen – um die Umgebung zu erkunden und erschließen, wurden immer neue Abenteurer gesucht.

Zu ihnen gehörte auch der menschliche Krieger Garald, der in der Stadtwache Tumunzirs eine neue Heimat gefunden hatte. Er wunderte sich nicht groß, als Narga Bierfreund ihn zu sich rufen ließ, um ihm einen Auftrag zu geben: Die Holzfäller hatten sich beschwert, dass es bei ihnen spukte, und deswegen die Arbeit niedergelegt. Bestimmt handelte es sich nur um Einbildung und Aberglauben, aber Holz wurde immer gebraucht, um die Mine abzusichern, und so war das Problem doch einigermaßen dringend. Ob sich Garald das einmal anschauen könnte?

Natürlich konnte er! Aber er sollte nicht allein gehen, nur für den Fall, dass an dem Spuk doch etwas dran sein könnte. So sollte er die elfische Druidin Irindil dazuholen. Nach der musste er ein bisschen suchen, die Stadt war so klein ja doch wieder nicht – auf dem Feld wurde er fündig, wo Irindil gerade mit ihrem Wolf unterwegs war. Der brauchte schließlich auch mal Auslauf.

Garald, stolze zwei Meter groß und stattlich gebaut, kam gleich zur Sache: »Ich brauche Hilfe, um Geister auszutreiben.«
Das traf sich gut, denn auch Irindil – selbst gar nicht mal so klein, aber nichts im Vergleich zu dem hünenhaften Menschen – redete auch nicht gern lang um den heißen Brei herum: »Das klingt nach einem Abenteuer, ich bin dabei!«, sagte sie, vielleicht ganz froh, wieder aus der Stadt rauszukommen. Aber zu zweit waren sie doch noch ein bisschen wenig für die große Geisterjagd – das Scooby-Doo-Team war schließlich auch zu viert plus Hund – und so wurde weitere Verstärkung gebraucht.

Wie gut traf es sich da, dass Cyne, seines Zeichens praktischer Archäologe – das, was man anderswo vielleicht einen Grabräuber genannt hätte – mit einer Karawane, die er als Wache begleitet hatte, in der Stadt an, in deren Nähe er sich ein paar alter Ruinen anschauen wollte. Erschöpft nach der langen Reise kehrte er im Zuberhaus ein, um sich den Reisedreck abzuwaschen, und freute sich schon auf ein erfrischendes Bier im Anschluss – aber schon auf dem Weg zum Gasthaus lief er Garald über den Weg, der ihn vom Fleck weg anheuerte. Zu Cynes Glück wollten die neugefundenen Gefährten aber erst zur Dämmerung aufbrechen – Geisterjagd bei Tag ist ein wenig sinnvolles Unterfangen – so dass dann doch zumindest ein bisschen Zeit zum Speisen und Zubern blieb.

Pünktlich mit dem Einbruch der Dämmerung zogen die drei plus Wolf dann los. Die vermeintliche Straße stellte sich als ein matschiger Weg heraus, der quer durch den dichten Wald führte. Wo sonst sollte man auch ein Holzfällerlager finden? Und nach dem mussten sie auch nicht lange suchen: Lichter und Gesang verrieten, dass die Holzfäller nicht nur noch wach, sondern auch gar nicht so verängstigt wie erwartet waren. War das überhaupt das richtige Lager? Aber als Garald den nächstbesten Holzfäller ansprach, schreckten sie alle erschrocken hoch: Also doch das richtige Lager gefunden!

Das Problem der Holzfäller war schnell erzählt: Nachts hörte man ein seltsames Heulen und Pfeifen von den nahen Bergen, und einer von ihnen hatte eine nebulöse Gestalt gesehen, die aber verschwand, wenn man näher an sie herankam. Das klang dann wie doch etwas mehr als nur Aberglaube! So beschlossen die Gefährten, im Lager mit den Holzfällern zu wachen, und wenn der Spuk kommen sollte, sich auf die Suche nach dessen Ursprung zu machen.

Mitternacht kam und ging, ohne dass etwas Außergewöhnliches passiert wäre, aber zwischen zwei und drei ging tatsächlich ein gewaltiges Heulen los. Cyne bemühte sein Gehirn, ob er so etwas schon einmal gehört hatte, aber alles, was ihm einfiel, war eine Banshee – die man wohl ausschließen konnte, weil noch keiner von ihnen tot umgefallen war. Aber es klang nicht nach einem Tier, eher menschgemacht.

Zum Glück war das Geheul laut genug, dass sich die Richtung, aus der es kam, leicht bestimmen ließ, und wie versprochen machten sich die Gefährten auf den Weg, seinen Ursprung zu erkunden, den Berg hinauf. Es war nebelig, und in der Ferne konnte man ein Licht ausmachen. Irindil sprach Magie Entdecken, aber bis auf die magischen Ausrüstungsgegenstände, die sie mit sich führten, war nichts zu sehen. Da half nur Weitergehen, auf das neblig diffuse Licht zu, das immer heller und heller wurde. Das Licht blieb – nur das Heulen verstummte im Näherkommen und blieb dann auch still.

Vor ihnen lag ein Höheneingang, aus dem das Licht drang. Über dem Eingang hing ein Mondsymbol, das silbrig leuchtete. Die Gefährten blieben stehen und lauschten. Irindil hörte ein fernes Murmeln, Cyne konnte sogar ein paar einzelne Wörter ausmachen – auf Elfisch. Es klang wie ein Selbstgespräch … Aber bevor sie dazu kamen, das noch weiter zu ergründen, gab es ein vernehmliches »Plop!«, und sie waren nicht mehr allein.

Wie aus dem Nichts stand ein Elf bei ihnen – ein sehr enthusiastischer Elf, musste man sagen. Ohne Umschweife stellte der sich als Isdarion Aschefeder von der Goldenen Insel vor, frisch durch ein Portal getreten, um Heldentaten zu vollbringen. Und schon war er, sein imposantes zweihändisches Krummschwert gezogen, auf dem Weg in die Höhle. Okay … das ging schnell! Cyne beeilte sich, den Neuankömmling zu begleiten, während die beiden anderen, etwas überrumpelt, draußen erst einmal abwarteten. Zu sagen, dass sie dem Braten nicht trauen, war wohl noch eine Untertreibung!

Im Innern der Höhle hingen Tropfsteine, das Wasser rann die Wände hinunter – aber man erkannte auch die Überreste einer Tür. Ganz natürlich war dieser Ort wohl nicht entstanden. Cyne ging vor, um nach Fallen zu suchen, Isdarion folgte ihm auf dem Fuße, und so kamen sie in den zweiten Raum: Ein paar Statuen, von leuchtendem Moos überwuchert, ein steinernes Bassin auf einem Podest, ein Fest für einen Archälogen! Schnell untersuchte Cyne alles, man kann ja nie vorsichtig genug sein. Im Bassin fanden sich schleimige Algen und ein kindskopfgroßer schwarzer Stein. Cyne, der seinen Willenswurf schaffte, verzichtete darauf, den Stein zu berühren, aber Isdarion hatte weniger Glück, seine Neugier siegte, und schon hatte er den Stein an sich genommen.

Eine Stimme ertönte – nicht nur, wie Isdarion dachte, in seinem eigenen Kopf, sondern in der ganzen Höhle, und diese Stimme sprach Elfisch. Curanduil, so stellte sich die Stimme vor, war in diesen Stein gebannt worden – bei nicht weniger als dem großen Ritual, das die Unterwelt versiegeln sollte. War das Ritual ein Erfolg, war es gescheitert und die ganze Welt zum Untergang bestimmt? So viele Fragen! Aber die konnte man immer noch beim nächsten Mal stellen.

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