Wer rostet, rastet

Drei Oger, einer nach dem anderen, hatten ihre Leben gelassen, ihre Beute war in die Taschen der Gruppe gewandert, doch das gesuchte Heilige Symbol des Corellon Larethian war noch nicht darunter, und so ging es weiter durch den versunkenen Tempel. Der Raum, in dem der letzte Oger gestorben war, hatte einen weiteren Ausgang. Cyne, der an diesem Tag irgendwie durchscheinend aussah und ein bisschen passiv wirkte in Abwesenheit seines Spielers,  suchte wie ferngesteuert nach Fallen und fand eine, und das, ohne sie dabei auszulösen. Postwendend entschärfte er sie und hatte gleich darauf auch das Schloss geknackt.

Im Gang hinter der Tür hing, weithin sichtbar und ohne erkennbaren Grund, ein großer eiserner Kronleuchter von der Decke – und da blieb er auch hängen, als die Gefährten vorsichtig drunter druch huschten. Vielleicht war er das Gegengewicht zu der entschärften Falle auf der anderen Seite. So folgten die vier Helden dem Gang um eine Ecke, und Cyne fand die nächste Falle – diese leider, indem er direkt hineinlief. Ein Fallbeil ging über ihm hernieder und fügte ihm empfindliche Schrammen zu, aber immerhin, er stand noch.

Dahinter war der Gang mit dicken Spinnweben ausgefüllt. Der dungeonkundige Garald kam zu dem Schluss, daas es sich um das Werk einer Riesenspinne handeln musste – ein bissiger, giftiger Gegener. Irindil wagte es schon gar nicht mehr, laut zu sprechen, aus Angst, dass die Vibrationen des Schalls schon eine Monsterspinne heranlocken könnte, während Isdarion vorschlug, die Spinnweben einfach abzufackeln – ja, dann mussten sie vielleicht gegen eine Spinne kämpfen, aber das sollte so immer noch beser gehen, als wenn man gerade in einem Spinnennetz festhing. Dann jedoch fiel Irindil auf, wie alt und eingestaubt die Spinnweben aussahen – und plötzlich hatte niemand mehr etwas gegen das Abbrennen. Isdarion lieh sich Cynes Fackel, und wirklich, die Spinnweben brannten gut. Sie stanken auch anständig.

Als es zu stickig wurde, zogen sich die Gefährten ein Stückweit zurück und warteten, bis die Luft buchstäblich wieder rein war. Der Gang führte stetig bergab und versprach, auf die untere Ebene zu führen – aber bevor das erste Dungeonlevel fertig aufgeklärt und von Cyne kartographiert war, wollte niemand auf die untere Ebene, und so kehrten die Gefährten wieder um. Wie immer mit der linken Hand an der Wand, wären sie fast an der Tür vorbeigegangen, die rechts von ihnen lag, aber dann überlegten sie es sich anders: Besser nachschauen, als wenn ihnen etwas aus dieser Tür nachher in den Rücken fiel!

Auch auf dieser Tür lag eine Falle, und es gelang Cyne nicht sofort, die zu entschärfen – im zweiten Anlauf klappte es dann, und sie öffnete sich in einen kreisrunden Raum. Neun Kobolde schauten erstaunt auf die Eindringlinge. Sie waren nicht von rötlicher Schuppenfarbe wie Rakatuks Leute, sondern eher grünlich, und darum eindeutig als der verfeindete Clan zu identifizieren. Einer von ihnen trug einen gefiederten Kopfputz und versprach, Klassenlevel in einer Profession seiner Wahl zu haben, und sie alle schienen nicht begeistert, bei ihrer Unternehmung gestört worden zu sein: Mitten im Raum stand auf einem Podest eine mächtige Schatztruhe, an deren Öffnung die Kobolde wohl sehr interesiert waren.

Eingedenk des Mottos »Die Feinde unserer Verbündeten müssen nicht automatisch auch unsere Feinde sein« verzichtete Isdarion darauf, die Kobolde anzugreifen, sondern grüßte sie freundlich  – auf Gemeinsprech, da er kein Drakonisch sprach. Für den nun folgenden Dialog musste Cyne das Dolmetschen übernehmen. So bot Isdarion den Kobolden Hilfe an, zum Beispiel, um diese schwere Kiste davonzuschaffen – die Kobolde hingegen witterten eine Falle, wollten sich nicht darauf einlassen, und weil sich herausstellte, dass niemand aus der Gruppe auch nur einen ansatzweise guten Wert in Diplomatie hatte, scheiterten die Verhandlungen – die Kobolde glaubten, die Großlinge wollten ihnen den Schatz stehlen, und die Gefährten verabschiedeten sich und gingen unverrichteter Dinge wieder.

Weiter ging es durch einen Gang, der wie ein Bergwerksstollen befestigt war. Hier wurde offenbar Eisenerz abgebaut – etwas, das, meinte Isdarion, wohl nicht Bestandteil des ursprünglichen elfischen Tempels gewesen sein konnte. Sie folgten dem Gang trotzdem – und fingen an, zu diskutieren. Sollten sie doch nochmal zu den Kobolden zurückgehen und verszuchen, sich die Truhe zu holen? Oder war eine einzelne Schatztruhe es nicht wert, sich am Ende mit einem ganzen Koboldsclan anzulegen? Letzlich entschieden sich die Gefährten fürs Weitergehen, schauen, wo der Gang sie jetzt finführte.

Er endete an einer Steintür. Soweit, so wenig bemerkenswert – hätte nicht an der Wand gegenüber ein aussagekräftigtes »Flieht!« gestanden. In Blut geschrieben, versteht sich. Ein Grund mehr, die Tür wirklich aufzumachen! Aber als sie die unverschlossene Tür vorsichtig aufschoben und in den Raum dahinter linsten, war dort keine blutrünsitge Bestie zu sehen – stattdessen: Eine Abstellkammer voller altem, rostigen Zeug, nichts mehr zu gebrauchen. Erst, als Isdarion einem Schritt in den Raum hinein machte, hörten sie eine Kreatur, die sich vom anderen Ende des Raumes, verborgen hinter dem Gerümpel, zu ihnen auf den Weg machte.

Dann tauchte es, von Garald eindeutig identifizeriert, aus dem Schrott auf: Ein Rostmonster, so benannt, weil alles, was seine Fühler berührten, sofort zu Rost zerfällt. Für jemanden wie Garald oder Isdarion, die metallne Rüstungen und Waffen trugen, keine gute Aussicht, und zog machten die beiden einen kleinen Rückzug und wechselten auf ihre Bögen. Aber Irindil, der als Druidin das Tragen metallner Ausrüstung verboten ist, trat vor und machte ihren Kampfstab bereit: Endlich die Gelegenheit, ihre Zweiklassigkeit unter Beweis zu stellen und ihre coolen Mönchsmoves auszupacken!

Zwar traf sie nicht auf Anhieb, aber stylisch war es allemal, und vor allem Isdarion, Träger eines unersetzlichen Elfenschwertes, war ihr dankbar, dass sie ihn und seine Waffe verteidigte und die Aggression des Rostmonsters auf sich zog. Im Gegenzug feuerte er ein paar exzellent gezielter Pfeile auf das rostige Biest ab und traf es auch an empfindlichen Stellen. Auch Irindil traf – aber das Rostmonster streckte seine Fühler nach Garald aus und erwischte seinen Brustpanzer und ließ diesen instantan verrosten. Zwar reparabel, für einen talentierten Rüstungsschmied – nur hatte keiner aus der Gruppe die nötigen Skills, geschweige denn das Zubehör dafür dabei, so dass Garald bis auf Weiteres mit Arm- und Beinschienen würde auskommen müssen.

Nach einem guten Treffer von Isdarion und beherztem Zubeißen von Irindils Wolf brach das Rotmonster tot zusammen und ließ noch nicht mehr einen ebenso experimentierfreudig wie Dleichtsinnig an seine Fühler geführten Dolch mehr rosten. Mithilfe von »Magie Entdecken« und etwas Geduld wurde der Raum auf Schätze untersucht. Diverse Münzen aus den nichtrostenden Edelmetallen Gold und Platin kamen ans Licht, sowei ein magischer Umhang, dessen Identifikation in erster Instanz leider scheiterte. Und einen Ausgang hatte der Raum auch: Eine Tür führte hinaus.

Den Gefährten schlug ein Pfeifen entgegen wie eine Mischung aus Wind und Wasserkessel. Oben, oberhalb eines Einsturzes, pfiff der Wind durch ein winziges Loch. Ein Durchkommen an der Stelle? Nicht möglich. So mussten die Gefährten umkehren. Und da sie dabei wieder an der Tür zum Raum mit der Schatztruhe und den Kobolden vorbeikamen, überlegten sie sich das nochmal mit dem In-Ruhe-Lassen und gingen rein – schließlich konnte in der Truhe, so Isdarions Argumentation, auch das gesuchte heilige Symbol sein. Aber diesmal setzten sie nicht auf Diplomatie. Stattdessen ließen die Helden ihre Muskeln spielen, erklärten, dass sie das Rostmonster besiegt hatten, und brachten die Kobolde mit einem gelungenen Einschüchterungsversuch dazu, ihnen einen Blick in die Truhe zu gestatten.

Nur gucken, nicht töten, so lautete der Deal – und offenbar auch nichts wegnehmen, denn die Gefährten begnügten sich tatsächlich mit einem Blick auf den Schatz: Eine nicht zu verachtende Menge Gold-, Silber- und vor allem Kupfermünzen, ein Schriftrollenbehälter und ein nicht weiter identifizierter Trank blieben so ihren Besitzern, den Kobolden, erhalten. Ein heiliges Symbol war nicht dabei, und so verabschiedeten sich die Gefährten ein zweites Mal und tasteten sich quer durch den Dungeon zurück zur letzten unbekannten Abzweigung – und standen wieder in dem Raum ganz vom Anfang, dem mit dem koboldgefertigten Wandgemählde. Und weil das gerade so eine schöne Stelle für einen Cut war, beschlossen sie, in der nächsten Woche dort weiterzumachen, und riefen den Feierabend aus.

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