Die Pfadfinder treffen zusammen

Mit Städten hatte sie es nicht so. Kaum war die halborkische Barbarin Karza in Zweiklippen angekommen, war sie auch schon wieder auf dem Weg nach draußen. Aber immerhin hatte sie es in der Zwischenzeit geschafft, nicht nur viele befremdliche Steinhäuser zu sehen und eine unsagbar große Markthalle, sondern auch noch ihr ganzes Geld zu verbraten: Zu köstlich dufteten die Gewürze, als daß Karza an dem Kräuterstand vorbeigekommen wäre. Aber dem meisten in der Stadt begegnete sie doch mehr mit Unverstand: Warum da Leute in Scharen um jemanden herumstanden, der nichts anderes suchte als eine Begleitung – Geld verdienen fürs Durch-die-Gegend-Laufen? Wo sollte da die Herausforderung sein? Kopfschüttelnd wollte Karza schon wieder davonwandern, um vor der Stadt ihr Zelt aufzuschlagen – immerhin, ihr Passierschein ermöglichte es ihr, eine ganze Woche lang aus der Stadt rein und raus zu gehen und dazu noch alle Brücken zu überqueren, und das alles nur für ein Silberstück! – als sie von einem fremden Mann angesprochen wurde. Der Kämpfer Kevan, weniger von Karzas Schönheit beeindruckt als mehr von ihrem mächtigen Kreuz, suchte noch Mitstreiter für eine Karawanentour. Und mit der Aussicht auf grimme Feinde und gefährliche Bestien war auch Karza schnell bereit, die Restlaufzeit ihres Passierscheins verfallen zu lassen und sich bei Veran einzustempeln.

Für Kevron wurde die Luft in der Stadt dünn. Nachdem er seit Wochen keine Miete mehr gezahlt hatte, setzte ihm seine Wirtin ein Ultimatum: Sie würde es nicht mehr bei der Weigerung belassen, ihm die Wäsche zu waschen – das fruchtete nicht, schien es Kevron doch egal zu sein, wie seine Klamotten aussahen, vom Geruch ganz zu schweigen – sondern ihn endgültig auf die Straße setzen. Keine Kneipe wollte ihm mehr Kredit geben, aus Angst vor den Geldeintreibern wagte er sich kaum noch aus dem Haus: Da half nichts, Geld mußte her, je schneller und je mehr, desto besser. Mit der Sicherheit eines Verkleidungszaubers schlich er sich zur Diebesgilde, bereit, jede Arbeit anzunehmen, ohne groß Fragen zu stellen. Doch daß er dann nur eine Karawane als Schreiber begleiten sollte, war dann doch lächerlich – drei Silber am Tag, das reichte noch nicht mal für die dringendsten Schulden! Aber der Mann von der Gilde konnte ihn beruhigen: In Wirklichkeit ging es doch darum, daß Sargas, dieser junge Halbelf, eine Drogenlieferung in Empfang nehmen sollte, und um die in die Stadt zu schmuggeln, war die Hilfe eines geschickten Fälschers immer gern gesehen.

Und so standen sie dann in der Morgendämmerung vor den Toren der Stadt: Der Zwerg Torim, für den die Karawane nur eine Möglichkeit war, sich für den Rückweg in den Wald auch noch bezahlen zu lassen und der seine neuen Mitstreiter je skeptischer betrachtete, desto spitzer ihren Ohren ausliefen; Karza und Kevan, mit ihren mächtigen Doppelwaffen nicht in Gefahr, unterschätzt zu werden; Sargas, leicht gerüstet und trotz seines güldenen Haars immer noch unauffällig, und Kevron, wie immer verkatert und übernächtigt und in seiner viel zu großen Gardistenjacke noch kleiner als gewöhnlich. Bis in den Großen Dunklen Wald hinein schafften sie es ohne größere Probleme – zwar war Karza mehr daran interessiert, von dem Halblingskarawanenführer Kochtipps zu bekommen, als an den Schrecken des Waldes, aber abgesehen davon lief alles glatt – bis die Goblins angriffen.

Die folgenden Minuten waren verheerend für die Moral unserer Gruppe. Die Halborkin ging, gespickt mit Pfeilen, zu Boden wie ein gefällter Baum, der Magier tat es ihr nach, nachdem er ebenso heldenmutig wie hirnverbrannt seine Deckung verlassen hatte, um lieber einen im Baum sitzendn Goblin erfolglos mit Eisbolzen zu beharken. Der Waldläufer schoß hartnäckig am Ziel vorbei, und daß Krieger und Schurke es schafften, tatsächlich alle Goblins und beide Hobgoblins am Ende niedergestreckt zu haben, ist nur einem glücklichen Zufall geschuldet und Pfeilen, die ausnahmsweise mal ihr Ziel trafen. Am Ende brauchte es einen Zwergenpaladin, um die Gefallenen wieder aufzurichten, und Veran weigerte sich, Kevron eine Gefahrenzulage zu zahlen, obwohl der die doch so gut hätte gebrauchen können – dafür teilte er sich dann mit Torim ein paar Goldstücke, die sie im Wald gefunden hatten, und konnte im Laufe des Abends den gefundenen Zauberstecken als einen der Heilung identifizieren, immerhin.

Am Ziel angekommen, mußte die Karawane feststellen, daß niemand mehr da war, zumindest niemand lebendiges. Die Goblins hatten nicht nur sämliche Holzfäller verschleppt, mutmaßlich um sie zu essen, sondern auch das von Sargas erwartete Päckchen mitgenommen, und nachdem die Karawanenführer mit stoischem Gleichmut das bereitliegende Holz aufgeladen hatten, machten sie sich auf den Rückweg, während die angehende Gruppe, mit wechselnden Begründungen, auf Goblinjagd ging. Immerhin, ein Goldstück für jeden Satz Goblinohren und zwei bei Hobgoblins spült schnelles Geld in die Kasse! Dafür gingen sie jetzt auch gleich viel planvoller vor, man könnte fast sagen: Taktisch klug, und mit vereintem Teamwork wurden Goblins, Hobgoblins, Hunde und sogar der meisterlich gerüstete Obermotz in Kürze ihres Lebens beraubt, und nach dem Anrufen der geheimen Gottheit Bernoulli trafen auch endlich die zwergischen Armbrustbolzen ihr Ziel.

Und beim nächsten Mal wollen sich unsere Helden dann auch einander vorstellen. Läuft momentan die Anrede noch auf Basis von “He, du!”, “Orkin”, “Spitzohr” oder “Schreiber”, wird es langsam Zeit, daß Kevron und Kevan realisieren, daß sie beide den gleichen Spitznamen tragen. Auch die Schätze wollen noch gehoben werden, ganz zu schweigen von einem Päckchen mit Drogen, und die geheimnisvollen Ruinen, in denen die Gobbos hausen, kann man sich auch einmal in Ruhe ansehen… Momentaufnahme einer zu Höherem bestimmten Gruppe: Die Halborkin hat noch nie eine Stadt gesehen; der Zwerg redet unentwegt von der Elfenjagd; der Krieger hat von seinem Vater nur das drittbeste Schwert mitbekommen; der Magier ist komplett versifft; und der Schurke weigert sich, in irgend etwas anderes als einen alten Dungeon einzusteigen, weil das ja unter seiner Würde wäre.

Es kann nur besser werden.

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