Vorbereitung ist alles!

Unten im Gildengebäude befand sich eine Art Übungsgelände, wo Erian bereits im Trainingsring auf die Gruppe wartete. Sie sollten ihm zeigen, was sie im Kampf so drauf hatten. Aber niemand wollte so recht anfangen. Kerym’tal, plötzlich ganz zartbesaitet, gab an, niemanden verletzen zu wollen, und schlug vor, seinen beidhändigen Milzstich lieber an einer Übungspuppe zu demonstrieren, aber Erian winkte ab: So eine reglose Puppe ist doch nichts im Vergleich zu einem  Gegner, der sich bewegen und ausweichen kann, und außerdem war er selbst erfahren und gerüstet genug, um nichts zu befürchten zu haben – und verwies außerdem auf einen Ständer mit allen Arten von stumpfen Übungswaffen, mit denen unsere Helden ihm schon keinen bleibenden Schaden anrichten würden.

Kerym’tal ergriff zwei Kurzschwerter und demonstrierte seinen neugelernten Sprungangriff – der Sprung, fünf Meter aus dem Stand, wurde ein voller Erfolg. Der Angriff nicht. Der sonst ja eher pazifistische Urorn hingegen, der hinzukam, verifizierte dann gleich mal den kritischen Treffer mit seinem Übungsrapier und durfte sich dann auch noch gleich von Erian loben lassen für seine Taktik, den Gegner von beiden Seiten in die Zange zu nehmen: Das gibt Boni aufs Treffen, weil der so bedrängte schlechter ausweichen kann.

Und so ging es in bester Tutorialsmanier weiter. Meraid feuerte Pfeile auf Erian, stumpfe, versteht sich, während Evy ihr Lied des Mutes anstimmte und Erian jedem noch ein paar Tipps obendrauf gab. Einzig Thorn saß gemütlich am Rand und schaute zu – kein Grund, den Hammer auszupacken, wenn a) man ein Magier ist und b) die anderen das Kind schon schaukeln. Und Erian bekam auch so einen Eindruck davon, was diese Gruppe so drauf hatte. Anschließend verriet er ihnen noch, wo sie ihre magische Ausrüstung herbekommen konnten beziehungsweise ihre vorhandenen Meisterarbeitswaffen verzaubern lassen.

Drei Aufträge hatten die Gefährten vom Schwarzen Brett mitgenommen, und der erste davon, die Begleitung eines Treidelkahns zur Versorgung der Holzfäller, sollte in vier Tagen losgehen – Zeit genug, um sich um die Ausrüstung zu kümmern und noch ein bisschen zu trainieren. So bekam Evy endlich ihr Langschwert, ein magisches noch dazu – und weil so eine meisterliche Waffe doch einen nicht zu verachtenden Umsatz bedeutet, bekam sie vom erfahrenen Edgar eine fachkundige Beratung und mehrere Waffen für kleine Leute zum Ausprobieren, bis sie das für sich passende Schwert gefunden hatte.

Während die Gruppe Quartier im Gildenhaus bezog, froh, keine Miete mehr zahlen zu müssen, verbrachte Urorn die Tage damit, Tränke für sich und seine Gefährten zu brauen und überraschte einen jeden mit einem Heiltrank für mittelschwere Wunden und einem Trank der Bärenstärke, währen Thron die Tage damit verbrachte, noch ein paar neue Zauber in sein Buch zu übertragen – eine zeitaufwendige Sache, die unterwegs schlecht umzusetzen ist, da sie die volle Konzentration erfordert, etwas, das man von den Spielern an diesem Tag nur schwerlich behaupten konnte.

Auch Kerym’tal griff zu Tinte und Feder und schrieb einen Brief an seinen Mentor in Lastow, was, da ungeübt, die vollen vier Tage und viele Flüche in Anspruch nahm, aber immerhin: Sollte dieser Brief in die falschen Hände fallen, werden diejenigen, die Kerym’tal wegen Mordes suchen, jetzt wissen, dass er im Gildenhaus zu Castow zu finden ist, was man als Plothook niemals verachten darf. Und sollte der Brief seine Zielperson erreichen, bekommt der offenbar etwas heimwehkranke Barbar hoffentlich bald eine Nachricht von seinen Lieben. Wenn er Glück hat.

Auch Meraid war nicht untätig, sie traf Elfe Idril im Purpurnen Pendel und bekam detailierte Informationen über die zu suchenden Pflanzen und wie man sie von anderen unterscheiden konnte, so dass die lukrativen Wurzeln nun wirklich kein Hindernis mehr darstellen sollten.

Der ebenfalls im Gildenhaus residierende Elf Talathel kam an den Tisch der Gruppe. Er hatte gehört, dass sie den Auftrag angenommen hatte, sich nach den verschwundenen Holzfällern umzusehen, und hatte eine Bitte an die Gefährten: Ob sie sich dabei nach seinem menschlichen Freund, dem Waldläufer Erhard, umsehen könnten? Den hatte Talathel zuletzt vor einem halben Jahr gesehen, nach elfischen Maßstäben also gerade eben erst, aber ein paar freundliche Grüße wären sicher wieder angebracht, und wenn sich Erhard mal in Südwacht melden könnte, das wäre nett.

Damit die Gefährten auch wussten, nach wem sie Ausschau halten sollten, bekamen sie auch eine Beschreibung ihrer Zielperson, die derart blumig ausfiel (»Haare hat er wie junges Herbstlaub«), dass sich die Gruppe nicht nur uneins war, ob der Gesuchte nun blondes, goldenes oder dunkelrotes Haar hat, sondern auch Kerym’tal vermutete, dass es sich bei diesem Erhard um niemand anderen als Talathels Liebhaber handeln müsste. Mit der Information, dass Erhard einen Schwertknauf wie einen Wolfskopf und einen silbernen Ring mit Eulenemblem mit sich führte, fühlte sich die Gruppe auch bereit, im Zweifelsfall sterbliche Überreste zu identifizieren – die Talathel jedoch, auf Meraids Nachfrage hin, nicht mitgebracht haben wollte. Bescheidgeben reicht aus. Vielleicht also doch nicht sein Lover?

Aber wo Talathel schon mal da war, konnten sie ihn auch gleich ein bisschen ausfragen. War er nicht derjenige, der überhaupt die Nachricht vom Verschwinden der Holzfäller zur Gilde mitgebracht hatte? Dann musste er doch noch mehr darüber wissen! Und wirklich, der Elf zeigte sich auskunftsfreudig. Er gab nicht nur Informationen zum Holzfällerlager selbst preis, fünf Tagesreisen ostnordöstlich von Südwacht, an einem Nebenfluss gelegen, wo vor allem wilde Tiere, darunter auch die großen Dire-Varianten, eine Gefahr darstellen – dass das Gebiet wild ist, ist den angrenzenden Elfen ganz lieb – sondern auch zum Verschwinden der Holzfäller selbst.

Gut zwanzig Personen – die Holzfäller, ihre Frauen und ein paar Kinder – waren im März mit dem Frühlingsbeginn nach der Winterpause erfolgreich aus Südwacht wieder in ihr Lager zurückgekehrt. Anfang April jedoch, als ihre Versorgung eintraf, fehlte von ihnen jede Spur. Ihr Lager war verlassen, ohne offensichtliche Kampfspuren, niemand mehr da – worauf die Männer, die da die Vorräte bringen sollten, es mit der Angst bekamen und umkehrten. Auch ein Trupp Waldläufer, der daraufhin nach dem Rechten sehen sollte, kam unverrichteter Dinge wieder zurück. Was mit den Holzfällern und ihren Angehörigen passiert ist? Niemand weiß es.

Aber unsere Gefährten wollen es herausfinden. Und beim nächsten Mal, im neuen Jahr, brechen sie auch schon auf.

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